Sonntag, 1. Dezember 2013

Musik und Politik: Wie der Eurovision Song Contest 2012 in Baku die Welt veränderte

Ich übertreibe? Ok, auf jeden Fall war es ein Festival, dass meine Wahrnehmung der Welt veränderte. Ich muss mir nur den Opening Act des Finales anschauen, und schon kommen mir vor Rührung die Tränen: Ich war dabei! 


Die nagelneue Chrystal Hall entpuppte sich auf einer Halbinsel als eine wehrhafte Wasserburg umringt von Kriegsmarine. Nachmittags sah ich Militärkonvois Richtung Chrystal Hall fahren, in denen Soldaten hockten in schicken schwarzen Anzügen. Für uns war die Halle nur mit personenbezogenen Tikets, durch ein Nadelöhr, einem 20-Minuten-Marsch und nach 5 Sicherheitskontrollen zu erreichen. Während des Finales war die Stimmung in der Halle unterkühlt. Im Gegensatz zu den Semis blieben Sitzreihen leer. Ich hatte den Eindruck, dass 40% des Publikums Sicherheitskräfte, 20% ins Konzept eingeweihte Schüler und Studenten waren, der Rest war das ESC-Publikum. 

Vor kurzem sind die Terroristen, die vor und während des ESC in Aserbaidschan Terrorakte ausüben wollten, zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Ich war also dabei, als außerhalb der Halle terroristische Angriffe abgewehrt wurden. Bei den Festnahmen war ich natürlich nicht dabei, das muss ich einfach glauben. Da aber die Aserbaidschaner die Namen der Terroristen sowie die beschlagnahmten Waffen und Gegenstände mehrere Male in ihren Medien genannt haben, wirkt dies glaubwürdig. 

Die deutsche Presse ist Welten davon entfernt uns zu erklären, wie diese Terroristen und ihre Waffen einzuordnen sind. Genauso wenig haben sie den Anstand, den Aserbaidschanern Dank auszusprechen, dass sie dem Publikum das Leben gerettet haben. In unveränderter Wortwahl schreibt JEDE Zeitung die Pressemeldung von AFP einfach nur ab, in der am Schluss pflichtgetreu die diskreditierenden Phrasen hinzugefügt werden. Und dann soll der in die Irre geführte Leser zwei völlig verschiedene Meldungen von a) Lebensretter und b) böses Land selber in einen Zusammenhang bringen? Ok, das habe ich gemacht. 

Schon in Vorbereitung auf Baku habe ich diverse Medien und Parteien darum gebeten, dafür zu sorgen, dass die Hasskampagne eingestellt wird. Schließlich war es unverantwortlich, mutwillig die Lage in Baku zu destabilisieren und uns Fans ins offene Messer rennen zu lassen. Sogar ein Boykott, der uns von der Anreise abgehalten hätte, wäre mir logischer erschienen. Ich erspare es mir zu beschreiben, was ich dabei erlebte und empfehle stattdessen die Lektüre „Die Stunde der Dilettanten“ von Thomas Rietzschel. Was Rietzschel beschreibt wurde mir 2012 in abgeänderter Form auch durch russische, aserbaidschanische und iranische Einschätzungen auf deren Info-Portalen bestätigt: Dass wir mit Dilettanten in Medien und Politik und ihren wertlosen Scheinerfolgen auf die falsche Fährte geführt werden und uns damit moralisch und intellektuell selber ruinieren. 

Ich bin nach Baku gefahren weil ich bemerkte, dass diesen angegriffenen Ländern mittlerweile mehr zuzutrauen bzw. mehr zu vertrauen ist als uns.  

Als beim Finale die Aserbaidschanerin Sabina Babayeva und der Mugham-Sänger Alim Qasimov
das Lied anstimmten „When The Music Dies“, wurde mir cold cold cold...


Ich musste daran denken, wie in Deutschland aus dem Musikwettbewerb ein Länderwettstreit gemacht worden war und dass wir Fans seit 2008 systematisch über Medien und organisierten Fanclubs mit Kriegsideologie 365 Tage im Jahr indoktriniert, ja, fertig gemacht werden. Die Eurovisionsgruppen mit ihrer wachsenden Nähe zu Politik, Kirche, halbseidenen Promis und diversen Interessengruppen kann man mittlerweile mit verdeckt arbeitenden NGO's in Osteuropa und im Nahen Osten vergleichen. 

Sentimental musste ich an das Nachbarland Iran denken, wo die Musik nach der Machtergreifung Khomeinis 1979 gestorben ist. Ich dachte mir, die Iraner müssen doch mitbekommen, wie ihr Nachbarland sich mit einem ungeheurlichen Aufwand in einen künstlichen Ausnahmezustand versetzt und mit einem ausgerechnet europäischen Popmusikspektakel seinen selbstverwalteten Reichtum präsentiert. Auch die gescheiterten Versuche des Westens, das Land anzugreifen, dürften ihnen nicht entgangen sein. Und siehe da: Die jüngsten Nachrichten – von Aserbaidschan bis Iran – sehen nach Veränderung aus. 

Es ist nicht anzunehmen, dass die Terroristen in Aserbaidschan als Einzeltäter mit individueller Motivation einzuordnen sind. Sie folgen einem Auftrag. Genauso ist nicht davon auszugehen, dass Promis wie Thomas Schreiber vom NDR, Stefan Niggemeier (Blogger) oder Anke Engelke... oder Politiker aus der 2. Reihe wie Markus Löning (FDP) und Nicolaus Meyer-Landrut (FDP) eigenmächtig ihren Kompetenzbereich überschreiten, Europa auf Kriegsideologie einschwören und vor der Weltöffentlichkeit andere Länder angreifen. Auch sie werden ihre Auftraggeber haben. Bleibt zu hoffen, dass es nicht die gleichen sind wie die der Terroristen. 


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