Mittwoch, 20. April 2011

Gedenkminuten für die ausgeschiedenen Favoriten

... denn dieses Jahr wird es wieder vielfach piefig. Auf Fanportalen liest man genauso wie schon im Vorjahr einstimmig Äußerungen über enttäuschte Erwartungen: Zu viele Musikstücke seien mittelmäßig, 1000x gehört. Erst recht stellen sich Zweifel ein, wenn man die Vorentscheidungen anderer Länder mitverfolgte. Erfolgreiche Musiker und ansprechende Stücke wurden weggekickt, stattdessen "gewannen" unbekannte Superstars oder Ladenhüter, Retrostücke und Spartenmusik - dieses Jahr zum Trost immerhin mit sehr guten Musikern, aber welcher TV-Zuschauer wird das während der 3-Minuten-Auftritte überhaupt registrieren? Fazit: Zu viele der Lieder würde wohl kaum jemand freiwillig hören oder gar kaufen.

Selbst wenn das Zufall sein sollte, möchte ich der TV-Piefigkeit zwei Vorschläge machen.

1. Die Koppelung von ESC-Sieg mit der Ausrichtung des Contestes im Folgejahr für probeweise 3 Jahre aufheben.
2. Die Jury wieder abschaffen

Zu 1) Der ESC-Sieg ist mit der Verpflichtung verknüpft, den Contest im Folgejahr auszurichten. Diese Verpflichtung scheint viele Länder abzuschrecken, da ihnen wohl das Geld, die Infrastruktur oder Zeit und Lust für ein solches riesiges Event fehlen, deswegen schicken sie möglicherweise chancenlose Beiträge ins Rennen. Ich finde, man sollte das jeweilige Gastgeberland (mit entprechenden finanziellen Anreizen) vorher festlegen und erhoffe mir davon, dass dann alle Länder unbefangen ihr Bestes geben.

zu 2) 2008 wurden die "Experten-Jurys" wiedereingeführt- Die Bezeichnung deutet an, dass musikalische Innovationen auf den Weg gebracht werden sollen, was aber in den letzten 3 Jahren nicht unbedingt der Fall war.
Die westeuropäischen Länder gewinnen nun zwar, aber dafür werden die übrigen 42 Beiträge nachweislich immer mehr zum Einheitsbrei in englischer Sprache. (Meines Wissens ist das differenzierte Ergebnis vom letzten Jahr immer noch nicht veröffentlicht worden.)

Der Song-Contest-Sieg als PR-Geck
Dass beim alltäglichen Spiel von Angebot und Nachfrage die 5 Juroren pro Land 50% der Wertung mitbestimmten, finde ich schon deswegen unlogisch, weil die Jury doch gar nichts kauft. Ich habe eher den Verdacht, dass sie verkaufen will, nämlich genau die Musik und die unbekannten Sternchen, die sich auf dem freien Markt nur nach langer Aufbauphase und mit aufwändigem Marketing verkaufen würden, wenn überhaupt.

Schwedens Strategen tricksen sogar jedes Voting aus
Schweden bastelt sich regelrechte Schein-Kartelle zurecht, lässt seine immer gleichen Leute in alle Länder strömen und beliefert alle Länder mit immergleichen ESC-Produktionen nach dem Motto: Lieber wegtrampeln und verdrängen statt fairer Wettbewerb. Darauf haben sich dieses Jahr immerhin Russland und Aserbaidschan eingelassen. Und diese Strategie fährt Raab dieses Jahr auch im Inland.

Grund zum Ärgern?
Ja und Nein.
Für den Hardcore-ESC-Fan ist der Sieg nur ein Teil des ESC-Kultes. Manchmal können sogar Kandidaten mit 0 Punkten größeren Kultstatus bekommen als ein fader Sieger. Insofern kann man sich die Marktschreierei und (Un)Social-Media-Kampagnen auch stecken.
Manche in den Vorentscheidungen gescheiterte Kandidaten tauchen jahrelang in Quizfragen und anderen Musik-Spielen als Geheimfavoriten wieder auf. In diesem Sinne möchte ich 4 Beiträge würdigen, die ich gerne in Düsseldorf erlebt hätte. Und hier darf ich mir vollkommen sicher sein: Nicht nur ich!

Lettland hätte uns süchtig machen können nach Banjos

Der Interpret Lauris Reiniks ist seit vielen Jahren als erfolgreicher Sänger, Songwriter und Schauspieler im Geschäft. Er hat bereits 6 Alben veröffentlicht, als Sänger und Komponist zahlreiche Awards gewonnen. Sein eingängiges "Banjo Laura" wäre ein guter ESC-Sommerhit geworden. Platz 2 in der Vorentscheidung.






Estland hätte uns mit Hoppe Hoppe Reiter
den Kopf verdrehen können
Auch die aus Estland stammende Gyrcelea-Ithaka-Maria Rahula – kurz Ithaka Maria – ist seit Jahren als Solistin sowie auch als Leadsängerin in diversen Bands unterwegs. Schon des öfteren an der estnischen Vorentscheitung teilgenommen, hatte sie auch dieses Jahr wieder Pech. Als eine Mischung zwischen Lady Gaga und Shakira hätte sie mit dem Titel Hopa'Pa Rei – in spannender Erwartung vorweg als Hoppe Reiter zum Favoriten avanciert - dem Publikum gehörig eingeheizt. Platz 2 in der Vorentscheidung.






Österreich quetschte die Luftquetsch'n

Ein Partyknüller für Jung und Alt - europaweit. Die schon im Vorfeld in Österreich absolut erfolgreichen Trackshittaz wären mit "Oida Taunz" der Knaller des Abends geworden... Platz 2 in der Vorentscheidung.






Jamala's Smile hätte Europa geweckt

"You can go to Moscow, You can go to Oslo, It's no matter where you are, Shorten distance, baby

And you'll feel much better, For you know that Love can start - With a SMILE... Just SMILE..."

Im ukrainischen Beitrag der Fanfavoritin Jamala hörte ich die Jury-Verarsche heraus, denn die seit 2004 originellen und erfolgreichen Ukrainer haben bei der "Experten-Jury" kein Gehör mehr gefunden. Und so sind sie seit 2008 zu den letzten Austragungsorten Moskau und Oslo nur noch gefahren um zu lächeln. Nach Deutschland wäre Jamala mit einem völlig veralteten amerikanischen Musical-Stil mit Jodeleinlage gekommen, sodass es am Schluss mit der charismatischen Interpretin doch wieder echt ukrainisch gewirkt hätte - nämlich genial. Die Ukrainer sind bereits im September 2010 enthusiastisch mit ihrer Vorentscheidung angefangen, die dann aber irgendwann im Sande verlief. Nach einem kleinen Skandälchen wird die Ukraine nun mit einer piefigen Ballade vertreten, lt. Aussage der Interpretin mit Unterstützung aus den USA. Da wäre Jamala origineller gewesen.




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