Sonntag, 12. Dezember 2010

Ich zahle gerne für gute Musiker - Witloof Bay aus Belgien














… wenn man mich nur ließe. Diesmal geht es um eine Band, die an der belgischen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest 2011 in Düsseldorf teilnehmen möchte und dafür finanzielle Unterstützung brauchte. Leider war dies aus Deutschland nicht möglich.


Das belgische Subskriptionsverfahren
Beim Vorentscheidungskonzept hat Belgien dieses Jahr einen neuen Weg eingeschlagen. Nach dem Subskriptionsverfahren müssen Musiker zunächst von den Musikkonsumenten 20.000 Euro einsammeln, bevor sie an der Vorentscheidung im TV teilnehmen dürfen. Danach entscheiden die belgischen Zuschauer per Telefonvoting über den endgültigen Sieger.

Dieses neuartige Verfahren in der Popmusik wurde 2008 vom belgischen Label Akamusic ins Leben gerufen und nun mit einer eigenen Homepage auf die belgische Vorentscheidung übertragen. ESC-Fans investieren also in potenzielle Hits und Stars und dürfen bei Erfolg auf 40 % Gewinnanteile hoffen. Wer auf einen Act gesetzt hat, der die Hürde von 20.000 Euro bis Jahresende nicht überwunden hat, bekommt sein Geld zurück oder kann es auf einen anderen Musiker übertragen.


Ein Blick auf die Aka-ESC-Homepage beweist, dass dieses Prinzip erfolgreich ist. Zahlreiche Musiker haben ein Musikstück hochgeladen und noch mehr User haben sich bereits mit vielen Anteilen eingekauft und kommunizieren nun eifrig auf diesem Portal. 11 Acts haben bereits die 20.000 Euro zusammen. Zu ihnen zählen seit dem 04.12.2010 auch meine Favoriten Witloof Bay.


Strategien beim Subskriptionsverfahren

Offengestanden bin ich erstaunt über das bisherige Ergebnis. Im Gegensatz zum neuartigen Vermarktungsverfahren kommt mir das Ergebnis musikalisch eher rückständig vor. Ist das repräsentativ für Belgien? Oder nur für die ESC-Szene? Nach dem Durchklicken der ersten drei Seiten finde ich nichts, was mich spontan anturnt. Alles anhören ist mir zu viel.


Aber will ich denn überhaupt auf nur EIN Lied setzen? Nein, denn dann müsste ich mit einer Zocker-Strategie an die Sache herangehen. Ich würde nicht mehr das wählen, was mir als förderungswürdig erscheint, sondern nur das, was mir bei subjektiver Annahme eines allgemeinen ESC-Geschmacks für einen 3-Minuten-Act als profitabel erscheint. Möglicherweise kommt ja genau durch diese Haltung das bisherige enttäuschende Ergebnis zustande...?


Wenn ich schon investiere, dann in die Musiker

Von denen erwarte ich dann aber so viel Können und Kreativität, dass sie die Gratwanderung zwischen Publikumserwartung einerseits und kreativem Experiment andererseits zu meistern verstehen. Beim Anhören des Stückes „With Love“ von Witloof Bay vermutete ich dieses Können. Alles a capella mit Beatboxing. Das hat es beim ESC so noch nicht gegeben und für Belgien, das sich 2005 und 2008 schon mit vokalen Experimenten einen guten Ruf gemacht hat, sehr repräsentativ. Daraufhin habe ich versucht, im Internet Informationen zu den Musikern zu finden.



Wer ist eigentlich Witloof Bay?
Das Ensemble besteht aus 5 belgischen SängerInnen mit klassischer Gesangsausbildung und einem belgischen Beatboxer, der bereits Vizeweltmeister im Beatboxen war, und zwar RoxorLoops. Sie machen seit 2005 im Bereich Jazz und Pop gemeinsam Musik, und zwar strikt a capella. Sie schreiben eigene Arrangements, mittlerweile auch eigene Stücke und kreierten sich damit ihren persönlichen Witloof-Bay-Stil, den man sich auf ihrem 2007 erschienenen Album anhören kann.


Auffallenderweise haben sie bei Akamusic die meisten Produzenten und die meisten Fans, mussten sich allerdings mit relativ kleinen Anteilen nach oben arbeiten. Auf meine Frage, ob sie denn in Belgien schon so bekannt seien, antworteten sie: „We started giving concerts 4 years ago, and we start to have a good fan club in Belgium with many concerts (even in schools). We already sang abroad: Germany, France (a lot), Switzerland, Italy. We'll be tomorrow (11.12.10) in Netherlands, in January in London for the London a cappella festival with the Swingle Singers, and in August in Argentina.“


Mit mir haben sie zumindest auch schon mal einen Fan in Deutschland, aber finanziell unterstützen konnte ich sie leider nicht. Das verhinderte das belgische Konzept.


Nationalismus als Teilnahmebedingung?
Es durften nur solche Musiker ihr Musikstück hoch laden, die seit mindestens 2 Jahren ihren Wohnsitz in Belgien haben. Wenn man bedenkt, dass es beim ESC fast Kult ist, dass Interpreten und Komponisten nicht aus den Ländern kommen, für die sie beim ESC antreten (Ralph Siegel ist schon fast für jedes europäische Land angetreten), macht diese Beschränkung keinen Sinn. Für ein neuartiges popkulturelles Experiment finde ich es zu rückwärtsgewandt und als Internetkonzept einfach unmöglich. Ich meine, dass diese Rückständigkeit sich auch im bisherigen Ergebnis widerspiegelt.


Nicht mal die finanzielle Unterstützung als Shareholder aus Deutschland klappte, zumindest wurden meine Karten nicht akzeptiert. Diese Beschränkung ist wiederum bedauerlich für die Musiker. Akamusic und/oder die belgischen Organisatoren wollen sich wohl nicht vorstellen, dass den Fans die Musik wichtiger ist als die Nationalitätszugehörigkeit.


Vielleicht irre ich, aber meine Fragen an Akamusic blieben unbeantwortet, die Macher sind anonym. Denn einige Fragen bleiben bei diesem Konzept offen. Was ist mit den Anteilen, wenn die Favoriten zwar in die Vorentscheidung kommen, aber es nicht bis zum ESC schaffen? Wie lange verdient man am Lied?


Dafür ist die Usability der Seite sehr gut, so dass man das Gefühl bekommt, Akamusic bestünde nur aus einem Programmierer und einem Vermögensverwalter.




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